Management Methoden und Organisationsmodelle, werden zum Teil wie Modeerscheinungen wahrgenommen. Und gefühlt ist es manchmal auch einfach alter Wein in neuen Schläuchen, der einem hier offenbart wird. Es gibt einige Indizien dafür, dass es in der Tat so ist. Aber auch einige Modelle, die uns verstehen lassen, warum genau das gut so ist.

Anzeichen für Management Moden

Moden gibt es nicht nur im Fashion Bereich. Verschiedene Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler setzten sich in den vergangenen Jahrzehnten mit Management-Moden auseinander. Beschrieben werden zum Beispiel Methoden oder Organisationsformen, die von einigen Vorreitern verbreitet werden, zunehmend Anhänger finden und irgendwann abklingen und in Vergessenheit geraten.

Ein Vortrag der mir zu diesem Thema einfällt, ist „Die Tücken der Agilen Organisation“. Der Soziologe und Organisationsberater Stefan Kühl setzt sich in diesem Beitrag mit Management Trends auseinander. Dabei beschäftigt er sich primär mit Moden in der Organisationsform. Die Wesentlichen Botschaften sind aber auch auf Werkzeuge und Methoden im Management übertragbar. Der Vortrag beginnt mit der Definition einer Management-Mode.

Diese durchläuft demnach folgende Phasen:

  1. Ein Konzept wird von einigen Vorreitern als aktueller Trend angepriesen, der absolut notwendig ist (z.B. aufgrund von Marktsituationen, die eine neue Weise des Arbeitens erfordern)
  2. Das Konzept verbreitet sich, wird auf andere Organisationen übertragen und/oder skaliert
  3. Es kommt zu Zweifeln an der Wirksamkeit und es gibt erste Berichte über das Scheitern des Konzeptes
  4. Die Befürworter der Methode führen das Scheitern auf  falsche Umsetzung oder Fehlinterpretation der Konzepte zurück
  5. Trotz möglicher Rettungsversuche wird das Konzept abgelöst (auch in den Vorreiter Organisationen)

Im Wesentlichen ist es vergleichbar mit den Überlegungen des Deutschen Wirtschaftswissenschaftlers und Professors Alfried Kieser aus den 1990 er Jahren und etwas später Eric Abrahamson, einem US-Amerikanischen Professor für Management an der Columbia Business School.

Als weiteres Indiz für das Ende eine Management Mode führt Stefan Kühl in seinem Beitrag auf, dass Buchverlage weniger Veröffentlichungen zu dem Trend veröffentlichen. In seinem Beitrag warnt er vor inhaltsleeren Konzepten, die im Wesentlichen Tautologien darstellen.

Das Problem erfolgreicher Konzepte

Denken wir einmal an Ideen, Modelle, Prinzipien und Methoden im Management, über die man in den vergangenen Jahrzehnten lesen konnte. Es würde sich eine unendlich lange Liste an Schlagwörtern ergeben. Manche Themen waren richtungsweisend, während andere zunächst den Anschein erweckten, als würden sie lediglich Modebegriffe verwenden und kaum Mehrwert liefern.

Und ich stimme zu, dass insbesondere bei der Namensgebung „neuer Ansätze“ einige Begriffe leider überstrapaziert werden. Bei Themen wie „Agiles …“, „… Coaching“, „Smart …“ etc. entwickelt es sich dann oft so, dass Konzepte, mit sinnvollen Ansätzen, die in bestimmten Situationen zu Erfolgen geführt haben, verwässert werden.

Es ist zwar naheliegend, den Versuch zu starten, bewährtes auch auf einen anderen Kontext anzupassen und anzuwenden – Werden die damit verbundenen Schlagworte aber inflationär auf alle möglichen Ansätze übertragen, kommt es schnell zu Missverständnissen. Wird ein solcher Begriff in der Hoffnung auf eine Steigerung der Ernsthaftigkeit oder Innovation verwendet, und ist das Konzept dahinter nicht durchdacht oder ungeeignet, führt das gerne zu Verwirrung und Frustration. Erinnern Sie sich noch an das allseits beliebte „Bullshit Bingo“ im Büro?

Nur die Verwendung des Begriffs lässt also nicht zwangsläufig auf einen Mehrwert schließen. Aber die umgekehrte Schlussfolgerung: „Management Konzepte, die ein solches Buzzword verwenden sind lediglich Worthülsen und Marketingtaktik“ wäre ebenso falsch. Nicht alle Management-Trends oder Konzepte sind notwendigerweise inhaltsleer, nur weil sie bestimmte Schlagworte verwenden. Viele dieser Ansätze nutzen tatsächlich tiefe Prinzipien und Methoden, die bei richtiger Anwendung, wertvolle Veränderungen in Organisationen bewirken können.

Also alles nur ein Marketing Gag?

Wenn wir diese Annahmen zugrunde legen, könnte man annehmen, dass es sich stets lediglich um Moden handelt, die von Beratungsunternehmen und Fachverlagen kontinuierlich leicht modifiziert und neu benannt werden. Dies könnte dazu führen, dass man sich nicht mit neuen Ansätzen auseinandersetzt. Doch ich bin der Überzeugung, dass sich dies auf jeden Fall lohnt, und zwar aus verschiedenen Gründen:

  1. Nehmen wir an, ein neues Konzept bezieht sich auf eine zugrundeliegende Denk-und Handlungsweise, die uns bisher unbekannt war, so lernen wir etwas neues
  2. Vielleicht erkennen wir Parallelen und Ähnlichkeiten zu Ansätzen, die uns schon bekannt sind, erhalten aber neue Impulse
  3. Möglicherweise ist tatsächlich etwas bahnbrechend neues dabei, das genau auf uns zugeschnitten ist.

Und selbst wenn ein Vorgehen gerade nicht in die aktuelle Situation der Organisation passt, dürfen wir nicht vergessen, dass sich Organisationen ständig entwickeln. Es liegt in der Natur unternehmerischen Wachstums, dass sich Herausforderungen ändern oder besondere Ereignisse oder Krisen eine Veränderung mit sich bringen. Die Anforderungen ändern sich mit der Zeit. Ein Tool oder eine Methode, welches(s) bei der Bewältigung von Herausforderungen in der Vergangenheit nicht geeignet war, könnte es in Zukunft sein. Das Management befindet sich gewissermaßen in einem ständigen Anpassungsprozess an die Umstände und Stabilität ist, wenn überhaupt, nur von kurzer Dauer. Je nach Situation ist eine andere Organisationsform oder der Einsatz unterschiedlicher Werkzeuge gefragt.

Das ist aus meiner Sicht auch einer der Gründe, warum Unternehmen, die Vorreiter bei einer bestimmten Methode waren, diese irgendwann ersetzen. Das muss nicht bedeuten, dass das Tool „schlecht“ ist. Es kann ebenso gut sein, dass es nicht mehr in das System oder zu dem Entwicklungsstadium der Organisation passt.

Mein persönliches Fazit:

Meine Wahrnehmung ist, dass viele der Methoden und Modelle, über die in Büchern, auf Social Media usw. geschrieben und gesprochen wird, Ähnlichkeiten aufweisen. Sie unterscheiden sich nur in geringem Maße voneinander und bauen teilweise auf bereits bekannten Konzepten auf. Und einige sind durch geschicktes Marketing, vielleicht auch nur „gut in Szene gesetzt“. Aber das ist meines Erachtens eine Randerscheinung dessen, das Neues nur wahrgenommen wird, wenn die Inszenierung stimmt. In gewisser Weise wird vom Markt also verlangt, sich immer wieder ein Stück weit neu zu erfinden. Das hat Einfluss auf Manager, Autoren, Berater und Verlage gleichermaßen.

Grundsätzlich sehe ich es als Aufgabe von Consultants und Managern, sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen, jedoch stets kritisch zu prüfen, wie anwendbar sie in ihrer eigenen Situation sind. Lassen Sie sich dabei nicht fehlleiten – Keine Methode wird so universell einsetzbar sein, dass sie alle Probleme jedes Unternehmens lösen könnte. Die Erkenntnisse aus der Systemtheorie in der Unternehmensentwicklung und das Wissen über Komplexität von Systemen verdeutlichen dies. Daher halte ich es für falsch, sich lediglich auf eine Methode (Best-Practise-Ansatz) zu stürzen, weil sie gerade im Trend liegt und in bestimmten Umgebungen gute Ergebnisse erzielt.

Als Consultant sollte man wissen, welche Ansätze es gibt, was dahinter steckt und in welchem Umfeld sie sich bewährt haben. Aber es gilt immer zu differenzieren, welche Ansätze für die aktuell anstehende Herausforderung und unter Berücksichtigung der Ressourcen und der Ausgangslage der Organisation sinnvoll sind. Häufig sind hierfür mehrere Optionen aufzustellen, zu bewerten und Lösungen zu erarbeiten.

Ich stehe als Consultant dafür, einen möglichst breit aufgestellten Methodenkoffer zur Verfügung zu haben und nutze meine analytischen Fähigkeiten und intensiven Austausch mit den beteiligten Personen, um zu verstehen, was der aktuellen Herausforderung, Unternehmenssituation und den Ressourcen meines Kundenunternehmens angemessen ist. Nicht nur die Entwicklung der Organisation, bedingt fortlaufendes Anpassen, Skalieren und Überdenken von Ansätzen. Gesellschaftlich verbreitete Ansichten und Erwartungen sowie das Marktumfeld tragen ebenfalls hierzu bei. Schlussendlich kann die Lösung auch ein eklektischer Ansatz aus mehreren Methoden Prinzipien und Werkzeugen sein.

Ebenso glaube ich, dass das Aufgeben einer bestimmten Methode bei einem Vorreiterunternehmen nicht automatisch das Scheitern dieser Methode bedeutet. Organisationen entwickeln sich und es ist durchaus möglich, dass die verwendete Methode das frühere Wachstumsproblem gelöst hat, aber für die neuen Herausforderungen nicht mehr den besten Ansatz darstellt. Viele der Ansätze werden mit jungen Unternehmen in Verbindung gebracht. Dabei ist es üblich, dass Start-Ups und Scale-Ups gezwungen sind, sich schnell wieder anzupassen, da aufgrund der hohen Skalierungsgeschwindigkeit neue Wachstumsherausforderungen schon nach kurzer Zeit auftreten.

Wenn Sie sich von erfolgreichen Organisationen etwas abschauen wollen, dann legen Sie den Fokus nicht zu sehr auf die Methoden und Werkzeuge, sondern mehr auf die Art und Weise, wie sie die Methoden identifizieren, die ihre Wachstumsherausforderungen lösen und den Mut, mit neuen Ideen zu experimentieren.

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Published On: 14. März 2024 / Categories: Change Management, Entscheidungen, Führung, Organisationsentwicklung /